1806 – 1882
Ach, altes Herz, ahnst du noch
einmal wieder
Des nächsten Frühlings ganze
Herrlichkeit?
Erwacht ihr, Klänge der
Vergangenheit,
Und steigt empor als
Zukunfts-Lerchenlieder?
Sinkt Himmelsseligkeit zur erde
nieder
Und tilgt des langen Winters
Weh’ und Leid,
Hebt dich noch einmal über Raum
und Zeit
Melodisch auf der Dichtung
Schwangefieder?
Ja, gieb dich hin urmächtig
heil’gem Triebe,
Laß froh die Seele frei im
Blauen schweben,
Zur Ewigkeit dein ganzes Sein
sich heben.
Im warmen Herzen throne hoch
die Liebe,
Die Hoffnung blicke lächelnd
still nach Oben,
Und Glaube soll den ew’gen
Vater loben.
Wer bist du, sanfter Geist, der
mich begrüßt,
So oft mir naht mit
schmeichelnd süßem Kosen,
Das Haupt bekränzt mit dunklen
Schlummerrosen,
Mit leisem Lied die Muse mir
versüßt?
Wenn mich des Alters öder Weg
verdrießt,
wenn Schicksalsstürme durch die
Lüfte brausen,
Klingt hold dein Schlummerlied
durch Angst und Grausen,
Bis sich mein müdes Auge willig
schließt.
Du neigst dein Antlitz lieblich
über mich,
Dein sanfter Odem kühlt das
wunde Herz,
In milder Dämmerung erlischt
des Lebens Schmerz.
Dann senkst du lächelnd den
Mohnblumenstengel,
In süßem Traum erkenn’ ich
endlich dich –
Du Schlummergott, nun bald mein
Todesengel
Das Wörtlein „schön“ kommt von
dem Worte „schauen“
Das Beste, was zu schauen, das
ist schön,
Der Wunderschein, den nur die
Augen seh’n,
Der nur dem Blicke sich will
anvertrauen.
Geheimnißoffenbarung,
Morgengrauen
Der Geistersonne, Gottesodemweh’n,
Ein Meer von Wonne, unter d’rin
zu geh’n
Ein Himmel, zu versinken tief
im Blauen.
Zu seh’n sucht hier das
unaussprechlich Reine
Mein Blick, der Sehnsucht
unerreichtes Ziel,
In aller Erdenschönheit holdem
Spiel.
Wird Form und Farbe eins, Licht,
Klang und Töne,
Wo Alles eint das höchste ewig
Eine,
Dann ist das ew’ge Schau’n das
ewig Schöne.
O könntest du mich Unsichtbaren
schauen,
Ich zeigte dir geheime
Wunderschätze,
Erinnerungen an die lieben
Plätze,
Wo wir zusammen einst in Wald
und Auen.
Wenn Abendschatten auf die Erde
thauen,
Dann weil’ ich dort, daß ich
mich still ergötze,
An der Vergangenheit die Seele
letze,
Mir luft’ge Zukunftsschlösser
d’raus zu bauen.
Von undurchdringbar dichtem
Bann umgeben,
Weil’ ich entzückt in
wundervoller Stille
Und leb’ ein selig reines
Geisterleben.
Mir wuchsen Schwingen, die mich
aufwärts heben,
Zu Boden sank die irdisch
schwere Hülle,
Verklärt zum ew’gen Aether
durft’ ich schweben.
Sprich, Rosenknospe, wer hat
dich geweckt,
Daß du erstrahlst in voller
Purpurblüthe,
Wie Morgenroth am Himmel hell
erglühte,
Den eben noch die bleiche Nacht
bedeckt?
bist du von Amor’s Fackel
angesteckt,
Ein Liebestraum, den Lenzmacht
süß verfrühte,
Der in der Jungfrau kindlichem
Gemüthe
Zu holder Scham der Wangen
Purpur weckt?
Mit seinem Pfeil hat dich der
Gott berührt,
Der noch von tiefen
Liebeswunden roth,
Wie man’s an deinen Rosenlippen
spürt.
Wer so dich sieht, fühlt
Liebes-Lust und Noth,
Lebt, in der Liebe Himmelreich
entführt,
Stirbt in der Liebe Armen süßen
Tod.
In jedem Jahr zur
Sommer-Sonnenwende
Erneuert sich die ernste
Todesfeier,
Beim dumpfen Klang der Cymbel
und der Leier,
Um des Adonis allzufrühes Ende.
Die Nymphen ringen wund die
weißen Hände
Um den geliebten holden
Venusfreier,
Um seiner Göttin Schmerz so
ungeheuer,
Und weihen ihm der Blumen
Todtenspende.
So sinkt die Sonne von des
Jahres Höhen,
So fällt die Blüthe von dem
Kelche ab,
So welkt das Blatt, das grüne Gras
wird Heu.
Auf ewig wechselt so Entsteh’n,
Vergehen,
Des Lebens Herrlichkeit
versinkt im Grab
Und fluthend wallt des Daseins
Strom vorbei,
Rose, wo bist du, o Holde,
geblieben?
Sehnend such’ ich dich rings
auf der Flur,
Oede erscheint mir die weite
Natur,
Seit dich die Pfeile der Sonne
vertrieben.
Mit dir entflohen ist Scherzen
und Lieben,
Seufzer und Schmerzen, ach!
bleiben mir nur,
Tief in der Seele nur lebt noch
die Spur,
Selig Erinnern in’s Herz mir
geschrieben.
Blume der Liebe, o kehre
zurück,
Trockne der Sehnsucht
schmerzliche Thränen,
Stille des Herzens vergebliches
Sehnen!
Bringe zurüch das verlorene
Glück,
Sonne der Schönheit, du
makellose,
Krone der Blumen, holdselige
Rose!
I.
Wo du als helle Sonne sonst geschienen,
An deine Strahlen meinen Blick
gebannt,
Wenn sich mein Gang nach deinem
Haus gewandt,
Die Fenster, sind verhängt
jetzt mit Gardinen.
Denn du wohnst nicht mehr
hinter ihnen,
Du weilst in deinem schönen
Vaterland,
Dort an der blauen Donau heit’rem
Strand,
Wo Lenz und Leben doppelt
blüh’n und grünen.
Vergessen hast du deinen
Hofpoeten,
Der ohne Gegenstand nach Reimen
sucht
Und schweigend sieht der
Lenzestage Flucht.
Du fandest And’re g’nug dich
anzubeten,
Entzückt an deinen Reizen sich
zu weiden,
Und mir bleibt nur, sie
tödtlich zu beneiden.
II.
Die Augen deines Hauses sind
geschlossen
Und schlafen, träge, mit
betrübten Mienen;
Befranste Augenlider, die
Gardinen,
Sie heben sich nur dann und
wann verdrossen.
Als jüngst ein Regenschauer sich
ergossen,
Da hat es mir wahrhaftig schier
geschienen,
Als ob die schweren
Thränentropfen ihnen.
Vor tiefem Gram hinab zur
Straße flossen.
Ach, wenn dich todte Dinge so
beweinen,
Daß sie in Thränen stehen um
dein Scheiden,
Was muß ein lebend liebend Herze
leiden?
Darf es sich übertroffen seh’n
von Steinen?
Nicht Thränen löschen seiner
Schmerzen Gluthen,
Er muß an bitt’rer Trennung
Leid verbluten.
III.
Nun hat dein Haus die Augen
aufgethan;
Mich dünkt, es lächelt stumm
mit frohen Mienen,
Seit munter sich gehoben die
Gardinen,
Und sein’ und meine Trauer,
Traum und Wahn.
Sprich, Herz, wer hat dies
Wunder denn gethan?
Die Zauberin, die waltet hinter
ihnen,
Der alle die geheimsten Kräfte
dienen,
Sie kam aus weiter Ferne wieder
an.
Nun lacht der Himmel heiter
über mir,
Die Freude naht, der
unschuldfrohe Scherz,
wenn dich mein dürstend Auge
wieder sah.
Die Sonne ruht mit Liebesstrahl
auf dir,
Im Jugendlenztakt schlägt mein
altes Herz,
Denn du bist nah’, ja, du bist
wieder da!
IV.
Und neu entspringt der Lieder
frische Quelle,
An deinem Blick entzündet sich
mein Sinn;
Durch bunte Blumenwiesenufer
hin
Wallt wieder wohllatathmend
Well’ auf Welle.
Vor deinem Strahl wird alles
Dunkel helle,
Der Schönheit Sonne,
Segenspenderin,
Der ew’gen Liebe
Heilverkünderin,
Du leuchtest in des Herzens
dunkle Zelle.
Es hellen sich des Meeres
nächt’ge Wogen,
Die stürmisch eben noch
bewegten Fluthen,
Sie ruhen still in Gold und
Purpurgluthen.
Am Himmel glänzt des ew’gen
Friedens Bogen,
Und aus der Ferne Silbernebeln
steigen
Des Jenseit Ufer und der
Sel’gen Reigen.
Ein alter Gärtner pflanzte
junge Sprossen,
Den schönen Park gradlinig
abzuschließen,
Und als sei munter in die Höhe
sprießen,
Schnitt er in gleiche Höh’ die
schlanken Schossen.
Sonst hat er wohl gepflegt sie
und begossen,
Doch will im Lenz ihr Wachsthum
sich ergießen,
Läßt gleich die Scheere solchen
Vorwitz büßen,
Bis sie als Mauer grün den Park
umschlossen.
Der Alte starb; die Scheere
ruht schon lange,
Und lustig aufwärts streben
Ulm’ und Linde,
Der Buchen Triebe wehen frei im
Winde.
Frisch grünt’s nach Oben, und
nach allen Seiten
Die Zweige sich in holder
Willkür breiten,
Froh wie ein Volk frei vom
Tyrannenzwange.
O Trauertag! Von allen Sommertagen
Der längste du! Nun ist das Ziel erreicht,
Des Frühlings volle Rosenwange
bleicht,
Im Hain die Nachtigallen nicht
mehr schlagen.
Durch alle Blüthenpracht klingt
leises Klagen,
Die Rose starb, der keine Blume
gleicht,
Der Schönheit hoher Himmelsreiz
entfleucht,
Vom Hauch der Sterblichkeit
hinweggetragen.
Das Herz vestummt, die Liebe
selbst muß schweigen,
Kein Lied erklingt, nur stumme
Seufzer steigen
Mit Sehnsuchtsblicken auf zum
Sternenreigen.
in heißen Thränen will mein
Selbst zerfließen,
Des Himmels Thore seh’ ich sich
erschließen,
Entgegen schwebt mir sel’ger
Geister Grüßen.
Wie flieht der Lenz, wie rollt
das Sonnenjahr!
Schon, seine letzte Blüthe,
blüht die Linde
Und streut die Düfte weit umher
im Winde,
Den Traum der Sage weckend
wunderbar.
Wie steht mir vor der Seele
sonnenklar
Der Augenblick, als dem
Sieglindenkinde
Die zarte Haut zur harten
Hornenrinde
Im heißen Drachenblut gefeiet
war.
Just sank ein Blatt vom
Lindenbaume nieder,
G’rad auf dem Blatt der Schulter
blieb es hangen,
Verhindert dort den Schutz der
Heldenglieder.
Ein fallend Blatt – des
Heldenfalles Grund!
Wie Schicksalsspruch klingt aus
der Sage Mund:
„Mit Unfall schließt, was
Zufall angefangen!“
Ach, du bist fern und immer
bleibst du ferne,
Statt deiner hast du einzig mir
gelassen
Die Sehnsucht, die durch
nächt’ge Wolkenmassen
Dein Bild mir zeigt, gleich
einem Himmelssterne.
Wohl säh’ ich dich noch einmal,
ach! so gerne;
Doch weißt du denn, ob nicht
vorher erblassen
Mich läßt der Tod, den alle
Wesen hassen,
Den ich doch selber langsam
lieben lerne?
Bin ich erst todt, dann wirst
du mich beweinen;
Doch wie viel schöner wär’s,
ich sollte meinen,
Säh’ ich dich herzlich über
mich noch lachen.
Denn weinen werd’ ich dich, wenn
todt, nicht sehen,
Und kein Sonett auf deine Augen
machen,
Ob sie auch voll von Thränen um
mich stehen.
Durch Blätterdunkel mitten auf
die wange
Hat mir die Sonne einen Pfeil
gesandt,
Und heiß in Liebe war mein Herz
entbrannt
Vom Gluthenkuß, und träumend
saß ich lange.
Still war’s umher; von keinem
Waldgesange
Erklang der Hain, in Schweigen
tief gebannt,
Und wie die Sonne wechselnd kam
und schwand,
Erbebte mir die Seel’ in
dunklem Drange.
Das war der Sommersonne
Scheidekuß,
Wie wohl ihr Kind die Mutter
innig küßt,
Eh’ sie sich weinend still von
dannen schleicht.
ein Lebewohl, ein letzter
Abschiedsgruß
Der mir des Lebens ernsten
Herbst versüßt.
Bis mich des Todes sichrer
Pfeil erreicht.
„So seid gerüstet nun zur
Wüstenreise!
Am Fuß die Schuh, den Stecken
in der Hand,
Mit festem Gurt geschürzet das
Gewand,
Und stehend nehmt des Passah
Trank und Speise.
Laßt hinter euch Aegyptens
Zauberkreise,
Die Töpfe, voll vom Fleische
bis zum Rand,
Der Feinde Gold und Silber
nehmt zum Pfand,
Bis Wolk’ und Flamm’ euch durch
die Wüste weise.
Laßt hinter euch die Frohne und
die Plagen,
Des Treibers Geißel, die euch
wund geschlagen,
Denn eures Bleibens ist nicht
länger hier.
Ich mach’ euch zum erwählten
Volke mir,
Lös’ euch vom Joch, das ihr so
lang’ getragen,
Und jauchzend sollt ihr Lob und
Dank mir sagen.“
O heiß ersehntes, ewig
Geistesleben!
Nicht mehr vom Schlaf in
Trägheit eingewiegt,
Nicht mehr vom Tod des Lebens
Kraft besiegt,
Zum höchsten Ziele der Gedanken
schweben!
Und davor wolltest du, o Seele,
beben?
Weißt du nicht, daß ein Ew’ges
nie erliegt,
Daß deine Ahnung nimmer dich
betrügt,
Und dir unsterblich Götterrecht
gegeben?
Auf! und vergiß das enge,
dumpfe Zagen,
Ergreife fest, was inn’re
Stimmen sagen,
Du mußt sie nur für wahr zu
halten wagen.
Dein Zweifel nur kann ewigkeit
dir rauben;
Entreiße dich den Blinden und
den Tauben,
Und willst du schauen, mußt du
standhaft glauben.
„Wann wir geboren werden,
weinen wir!“
Von einer welt voll Weh’ das
erste Zeichen;
Die aus dem Paradiese mußte
weichen,
Die Seele, ahnt, was sie
erleide hier.
Verstoßen von der Engel Kreis
zum Thier,
Verwiesen aus des Himmels sel’gen
Reichen
Zu Wesen, die dem Schöpfer kaum
noch gleichen,
Der sie geschaffen zu der Erde
Zier,
Blieb ihr vom lichten Jenseits
nur die Ahnung,
Die heiße Sehnsucht nach dem
Vaterland,
Nach Eden, d’raus die Sünde sie
verbannt,
Und des Gewissens peinvoll bitt’re
Mahnung.
Ach! wird sie endlich
wiederkehren
Zu jenes reinen Himmels sel’gen
Sphären?